Ohne Koks gibt es zwar keinen Hochofenprozess – aber Wasserstoff könnte in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. An der TU Wien wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem man aus Biomasse auf umweltschonende Weise ein wasserstoffreiches Gas herstellen kann, das sich dann auf verschiedene Arten in der Eisen- und Stahlindustrie nutzen lässt. Gemeinsam wollen TU Wien und voestalpine nun an diesem Thema weiterforschen. Die langfristige Vision ist es, erneuerbare Energieträger fest im Konzept eines integrierten Hüttenwerkes zu verankern.
Zwei Gasströme: Hier der Wasserstoff, dort das Kohlendioxid
In einem an der TU Wien entwickelten Verfahren wird Biomasse unter hohen Temperaturen so umgewandelt, dass zwei voneinander getrennte Gasströme entstehen: Ein wasserstoffreiches Produktgas und ein CO2-reiches Abgas. Die Verwendung von Kalk in einem speziellen Wirbelschichtsystem ermöglicht diesen sogenannten Reformingprozess von Biomasse. In einem integrierten Hüttenwerk, das viele Produktions- und Fertigungsschritte vom Roheisen bis zum fertigen Stahlprodukt vereint, könnte man das wasserstoffreiche Produktgas in verschiedenen Prozessschritten nutzen. Als erneuerbarer Energieträger ließe es sich als umweltfreundliche Alternative zu Erdgas verwenden. Gleichzeitig untersucht man auch den Abgasstrom. Durch das neue Verfahren wird das CO2 darin angereichert und kann somit effektiv abgeschieden oder weiterverarbeitet werden.
Wasserstoff aus Biomasse
„Chemisch betrachtet ist der wesentliche Reaktionsschritt im Hochofenprozess die Reduktion des Eisenerzes“, erklärt Johannes Schmid, Projektleiter vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien. „In natürlichem Erz liegt Eisen in Form von Eisenoxid vor, man muss daher zunächst die Sauerstoffatome von den Eisenatomen trennen.“ Für diese Reduktion spielt der Kohlenstoff aus dem Koks bzw. vor allem das daraus entstehende Kohlenmonoxid eine entscheidende Rolle. Bis zu bestimmten Mengenanteilen ist allerdings auch Wasserstoff ein mögliches Reduktionsmittel. Die Gesamtprozesskette zur Erzeugung und der Integration vom Wasserstoffgas aus erneuerbaren Quellen bis hin zur Verwendung im Hochofen muss in Zukunft noch weiter erforscht werden. „Wir konnten nun jedenfalls zeigen, dass sich ein Reduktionsgas mit Hilfe eines neuen Verfahrens aus Biomasse gewinnen lässt“, erklären die Projektmitarbeiter Florian Benedikt, Josef Fuchs und Stefan Müller. „Unser Produktgas ist nach unseren Messungen prinzipiell als zusätzlicher biogener Energieträger geeignet. Die Gasqualität entspricht zumindest dem, was voestalpine heute schon für verschiedenste Prozessschritte im integrierten Hüttenwerk nutzt.“
Kohlendioxidnutzung: Noch besser als CO2-neutral
Der zweite Gasstrom, der beim Biomasse-Reformingverfahren der TU Wien entsteht, enthält CO2. Gibt man das Kohlendioxid am Ende in die Umgebung ab, schließt man den Kohlenstoffkreislauf: Freigegeben wird nur das CO2, das vorher als Biomasse von den Pflanzen gespeichert wurde, die man nun genutzt hat. Gibt man das CO2 nicht in die Umgebung ab, sondern verarbeitet es weiter, dann hat der Prozess sogar eine nochmals verbesserte CO2-Bilanz: Man spricht dann von einem „Below Zero Emission“-Prozess.
Vision: Implementierung erneuerbarer Energieträger in Produktionsprozessen
Prof. Hermann Hofbauer freut sich über die erzielten Ergebnisse: „Die Implementierung erneuerbarer Energien in einen ressourcenintensiven Prozess wie der Stahlherstellung stellt eine große Herausforderung dar. Das betreffende Forschungsprojekt mit voestalpine ist für unsere Forschungsgruppe deshalb ein Leuchtturmprojekt.“ Um den Biomasse-Reformingprozess zu optimieren hatte man von 2013 bis 2015 an der TU Wien eine große Forschungsanlage mit einer Gesamthöhe von 7 Metern errichtet. „Nur mit einer solchen Anlage bekommen wir aussagekräftige Ergebnisse, um große industrielle Demonstrationsanlagen konzipieren zu können“, sagt Hofbauer. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es technisch möglich ist. Für hochwertige Biomasse wie Holzhackschnitzel sind Umsetzungsperspektiven unter den aktuellen Rahmenbedingungen jedoch nicht wirtschaftlich darstellbar. Deshalb sind weiterführende intensive Forschungsarbeiten nötig, um auch kostengünstige biogene Rohstoffe nutzbar zu machen“, erklärt Johannes Schmid. Neben der Wasserstoffgewinnung über den Prozess der Elektrolyse stellt die Technologie somit langfristig eine weitere mögliche „grüne“ Alternative für die Stahlproduktion dar. Quelle: idw/TU Wien