Kann der Kerosinbedarf der Europäischen Union durch in der EU produzierte Biomasse gedeckt werden?
11.03.2020
In Anbetracht des Klimawandels steht es außer Frage, dass die Luftfahrtindustrie ihre Treibhausgasemissionen reduzieren und auf alternative Treibstoffe umsteigen muss. Wenn die Europäische Union ihre ehrgeizigen Klimaziele erreichen will, muss sie ihren wachsenden Kerosinbedarf von fossilen Ressourcen abkoppeln. Im Jahr 2018 belief sich der Verbrauch von Flugkraftstoff und Kerosin in der EU auf 62,8 Millionen Tonnen[1], was 2.895 Millionen GJ[2] entspricht. Wie kann hier vollständig – derzeit wird der Bedarf zu 99,9% aus fossilen Quellen, hauptsächlich Rohöl, gedeckt – auf alternative Rohstoffe umgestiegen werden? Ist es möglich, diese Mengen mit Biomasse aus der EU zu produzieren? Oder ist Power-to-Liquid (PtL) die einzige realistische Alternative? Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Flugkraftstoff-/Kerosinerträge pro Hektar für verschiedene Kulturen und kalkuliert die erforderlichen Anbauflächen. Tabelle 1: Verschiedene Biomassequellen und PtL-Produktionspfade von Flugturbinenkraftstoff und Kerosin: Erträge pro Hektar und Flächenbedarf in der Europäischen Union
Produktions-pfad
Flugkraftstoff-ertrag (GJ/ha*a)
Flugkraft-stoff-/Kerosin-bedarf in der EU, 2018 (Millionen GJ)
Erforderliche Fläche zur Deckung des gesamten Flugkraftstoff-/Kerosin-bedarfs in der EU (Millionen ha)
Aktuelle Anbaufläche in der EU (Millionen ha)
Wie viel der aktuellen Anbaufläche wird zur Deckung des Flugkraftstoff-/Kerosin-bedarfs in der EU benötigt
Anmerkungen zur Tabelle: AtJ: Alkohol-zu-Flugkraftstoff (auf der Basis von Bioethanol) HEFA: Hydroprocessed Esters and Fatty Acids PtL: Power-to-Liquid PV: Photovoltaik Ernteerträge auf Basis von FAOSTAT2016, Erträge von Biomasse zu Flugkraftstoff / Kerosin auf Basis des UBA2016: Power-to-Liquids – Potenziale und Perspektiven für die zukünftige Versorgung mit erneuerbarem Flugkraftstoff. Die Tabelle zeigt deutlich, dass es unmöglich ist, den Kerosinbedarf der EU mit heimischer Biomasse zu decken, indem auf bio-basierte Alternativen der ersten Generation, z. B. Mais, umgestellt wird. Die derzeitige Fläche, auf der diese Energiepflanze mit hohen Stärkeerträgen in der EU angebaut wird, beträgt 8,3 Millionen Hektar. Um den Kerosinbedarf mit Mais zu decken, wären 51,7 Millionen ha erforderlich, also das 6,2‑fache der derzeitigen Maisanbaufläche. Die gesamte landwirtschaftliche Fläche der EU beträgt 107 Millionen ha (2017[3]) und wird hauptsächlich für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion genutzt. Das bedeutet, dass eine zusätzliche Fläche von 51,7 Millionen ha zur Deckung des Kerosinbedarfs mit Mais undenkbar ist. Natürlich steht weitere landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung, die jedoch nur auf wenige Millionen ha geschätzt wird und aufgrund der schlechten Bodenbeschaffenheit und der damit verbundenen geringeren Erträge nur eingeschränkt nutzbar ist. Andere landwirtschaftliche Kulturen zeigen ähnliche Ergebnisse. Selbst die Einbeziehung von Rohstoffen der zweiten Generation wie Holz, Kurzumtriebsplantagen (KUP) oder Stroh führt nicht zu besseren Ergebnissen. Der Ertrag von Kurzumtriebsplantagen (KUP) pro ha liegt beispielsweise in der gleichen Größenordnung wie bei landwirtschaftlichen Kulturen. Um den Weg des bio-basierten Kerosins zu gehen, müssen über 95 % der Biomasse importiert werden. Eine Lösung über Power-to-Liquid ist demgegenüber wesentlich entspannter. Mit Hilfe von Solar- oder Windenergie werden nur vergleichsweise kleine Flächen zwischen 2,7 und 6,2 Millionen Hektar benötigt, um den Bedarf an alternativem Kerosin vollständig zu decken. Diese Flächen können in den Trocken- und Halbwüsten, auf bereits existierenden Gebäuden im Falle der Photovoltaik (PV) oder auf Offshore-Anlagen bei Windenergie liegen. Sogar Kombinationen von Wind und Landwirtschaft sind möglich. Dies sind viel realistischere Alternativen. Andererseits wird Strom aus erneuerbaren Energien für eine Vielzahl von konkurrierenden Anwendungen benötigt (Strombedarf der Privathaushalte und der Industrie, Transport), so dass die PtL-Option in der Realität auch auf Importe aus Regionen mit hohen Erträgen an Solarenergie angewiesen sein wird, z. B. aus der Sahara. Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung werden lediglich 1,8 Mio. ha der Sahara-Fläche benötigt, um den Bedarf der EU an alternativem Kerosin über Photovoltaik und CO2 vollständig zu decken. Ausgehend von einer Gesamtfläche der Sahara von 920 Millionen ha, würden nur 0,2 % der Sahara-Fläche dafür ausreichen.
Fazit
Die hohe Nachfrage nach Flugbenzin/Kerosin in der Europäischen Union kann nur zu einem sehr geringen Teil durch heimische Biomasse gedeckt werden. Wird dieser Weg eingeschlagen, müssen über 95 % der Biomasse importiert werden. Die Deckung des Bedarfs über Power-to-Liquid mit Hilfe von Solar- und Windenergie und CO2 ist aufgrund der erheblich effizienteren Landnutzung vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen. Es wird erwartet, dass dies zur Nutzung eines Mixes aus heimischen erneuerbaren Energien und Importen aus Nordafrika führt. Es sollte dabei betont werden, dass die Abdeckung von nur 0,2 % der Fläche der Sahara mit Photovoltaik ausreichen würde, um den gesamten Bedarf der EU an Flugbenzin/Kerosin zu decken.
Konferenz zu CO2-basierten Flugkraftstoffen
Noch sind viele Fragen offen. Was ist die beste Technologie? Wie kann man kosteneffizient grüne Energie, Wasserstoff und CO2 bereitstellen? Was sind die besten Strategien zur Umsetzung von CO2-basierten Flugkraftstoffen? Was ist mit dem Carbon Offsetting and Reduction Scheme (COR-SIA) und dem Europäischen Emissionshandelssystem (ETS)? Wie kann sichergestellt werden, dass die Luftfahrtstandards erfüllt werden? Was ist politisch erforderlich in Bezug auf Vorschriften und internationale Unterstützung? Wenn diese Fragen und die Nachhaltigkeit des Luftverkehrs Ihr Thema sind, ist der „1st European Summit on CO2-based Aviation Fuels“ am 23. März 2020 in Köln, die Veranstaltung für Sie. Dieser Gipfel richtet sich an Entscheidungsträger aus Politik, Organisationen, Fluggesellschaften und den damit verbundenen Branchen. Sie sind von der International Association for Sustainable Aviation (IASA) und dem nova-Institut herzlich eingeladen, an diesem zentralen Fachtreffen teilzunehmen. Der Aviation-Day findet einen Tag vor der achten Ausgabe der etablierten “Conference on Carbon Dioxide as Feedstock for Fuels, Chemistry and Polymers”, vom 24. bis 25. März 2020 in Köln, statt. Um die Teilnahme trotz Reisebeschränkungen zu ermöglichen, wird werden beide Konferenzen auch als Webinar angeboten. Die Online-Teilnehmer können die Präsentationen sehen, den Vorträgen zuhören und Fragen stellen. Weitere Informationen und Anmeldung sind unter www.co2-chemistry.eu erhältlich. [1] Fig. 7, https://www.fuelseurope.eu/dataroom/static-graphs [2] http://w.astro.berkeley.edu/~wright/fuel_energy.html [3]https://ec.europa.eu/info/news/eu-agricultural-outlook-arable-land-area-continue-its-decline_en