Verbrauchertäuschung von Aldi und Rewe mit angeblich kompostierbaren Einkaufstüten
— DBU-Position — Aldi und Rewe täuschen Verbraucher mit vermeintlich nachhaltigen Einkaufstüten – Die als kompostierbar beworbenen Tragetaschen aus Bioplastik bestehen zu mehr als zwei Dritteln aus Erdöl und werden weder kompostiert noch recycelt – Deutsche Umwelthilfe fordert sofortiges Ende der Werbelüge und Umstellung auf umweltfreundlichere Alternativen Berlin, 11. April 2012: Mit ihren angeblich kompostierbaren Einkaufstüten geben die Handelsunternehmen Aldi und Rewe ihren Kunden das Gefühl, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) ergaben jetzt, dass die als ökologisch beworbenen Plastiktüten weder umweltfreundlich sind noch kompostiert werden. Im Rahmen einer Pressekonferenz am heutigen Tag (11.4.2012) in Berlin warf die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation den beiden Supermarktketten Greenwashing und Verbrauchertäuschung vor und forderte sie auf, die bewusste Irreführung sofort zu beenden. Aldi und Rewe bieten in ihren Filialen Tüten aus so genanntem Bioplastik an und werben mit deren angeblichen Umweltvorteilen. So seien die Tragetaschen „so weit wie möglich aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt“ und „100% kompostierbar“. Ein grünes Keimling-Zeichen soll den Tragetaschen von offizieller Seite die Kompostierbarkeit bescheinigen. Im Rahmen einer umfassenden Abfrage bei der chemischen Industrie, Plastiktütenherstellern, Handelsunternehmen, Kompostierern und Entsorgern hat die DUH recherchiert, was die scheinbar ökologisch vorteilhaften Kunststofftüten wirklich leisten. Besonders interessant ist, dass sie laut Herstellerangaben überhaupt nicht für die Eigenkompostierung geeignet sind. In industriellen Kompostierungsanlagen werden sie gemeinsam mit herkömmlichen Plastiktüten als Störstoffe aussortiert, um Plastikreste im Kompost zu vermeiden. Eine Umfrage unter mehr als 80 deutschen Kompostierungsanlagen belegt zudem, dass eine Kompostierung biologisch abbaubarer Kunststoffe – darunter auch die vermeintlich zu 100 Prozent kompostierbaren Tragetaschen von Aldi und Rewe – praktisch nicht stattfindet. „Die gebräuchlichen biologisch abbaubaren Kunststoffe bauen sich viel langsamer als herkömmliche Bioabfälle ab, und führen dadurch zu hohen Störstoffanteilen im Kompost. Auf diese Weise verunreinigter Kompost lässt sich kaum noch vermarkten“, erklärt Herbert Probst, Vorstandsmitglied des Verbandes der Humus- und Erdenwirtschaft Region Nord e.V. Zwar sind die Aldi- und Rewe-Tüten nach der (öffentlich nicht zugänglichen) Norm DINEN13432 biologisch abbaubar. Jedoch offenbart diese bei genauerer Betrachtung eine große Schwäche. Denn nach ihrer Vorgabe müssen die Plastiktüten erst innerhalb von zwölf Wochen unter bestimmten Vorgaben und Faktoren wie Feuchtigkeit, Temperatur und Sauerstoff in industriellen Kompostierungsanlagen zu mindestens 90 Prozent zersetzt sein. Deutsche Kompostierungsanlagen arbeiten in der Regel mit deutlich kürzeren Verweilzeiten zwischen ein bis acht Wochen. Gleichzeitig reicht der nach der DIN Norm EN13432 auch nach knapp drei Monaten zugelassene Plastikanteil von zehn Prozent im Kompost aus, um dessen Qualität erheblich herabzusetzen. Viele deutsche Kommunen haben deshalb die Entsorgung von Bioplastiktüten und anderen Biokunststoffen über die Biotonne verboten. Selbst wenn man theoretisch von einem vollständigen biologischen Abbau der Plastiktüten ausgehen würde, ergäbe sich daraus kein ökologischer Nutzen. Das Plastik ließe sich durch den Prozess zwar entsorgen. Jedoch würden keine Nährstoffe freigesetzt und kein Humus aufgebaut. „Auf diese Weise würden energieintensiv hergestellte Rohstoffe vernichtet statt sie durch ein Recycling im Kreislauf zu halten“, erklärt die DUH-Bereichsleiterin für Kreislaufwirtschaft Maria Elander. „Das Recycling biologisch abbaubarer Kunststoffmischprodukte, wie die Aldi- und Rewe-Tüten, bleibt in der Realität ebenfalls eine Fantasie. Denn als biologisch abbaubar bezeichnete Biokunststoffe aus Haushalten lassen sich nicht werkstofflich recyceln.“ Verantwortlich dafür sind laut Herstellerangaben die unterschiedlichen Materialeigenschaften der Kunststoffe, die zu 30 Prozent aus maisbasierter Polymilchsäure (PLA) und zu 70 Prozent aus dem erdölbasierten BASF-Kunststoff Ecoflex bestehen. Nach Einschätzung der DUH gibt es, unabhängig von den verwendeten Rohstoffen, keine umweltfreundlichen Einweg-Plastiktüten. Eine gute Plastiktüte entsteht erst gar nicht. Deshalb bieten Mehrwegbeutel und ‑taschen eine umweltfreundliche Variante. Für nicht vermeidbare Einwegkonzepte fordert die Umweltschutzorganisation recyclingfähige Materialien, ein optimiertes Recyclingverfahren und hohe Anteile an Recyclingmaterialien.[gekürzt] Quelle: DUH
Verbraucherinformation zu kompostierbaren Tragetaschen aus Biokunststoff transparent
— Position European Bioplastics — Berlin, 11. April 2012. Auf ihrer heutigen Pressekonferenz kritisierte die Deutsche Umwelthilfe den Einsatz von Einkaufstüten, die anteilig aus erneuerbaren Rohstoffen bestehen und kompostierbar sind. Diese seien eine Verbrauchertäuschung, so die Umweltorganisation. European Bioplastics sieht dies als nicht zutreffendes Pauschalurteil über die Tragetaschen und die dazugehörige Produktkommunikation an. Nicht berücksichtigt wird ein entscheidender Vorteil kompostierbarer Tragetaschen: die Menge von sauber getrenntem Bioabfall kann deutlich gesteigert werden. Immer mehr Kunststoffprodukte in Deutschland werden teils oder vollständig aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt. Im Zuge von Umwelt- und Klimaschutz sowie vor dem Hintergrund schwindender Erdölvorräte ist dies eine notwendige ökonomische und ökologische Umstellung. Bei den im Handel erhältlichen kompostierbaren Tüten beläuft sich der Anteil erneuerbarer Rohstoffe momentan auf mindestens 30 Prozent, in Einzelfällen auf über 50 Prozent. Dieses Mischverhältnis garantiert eine gute Funktionalität der Tüte sowie die Möglichkeit zur mehrfachen Verwendung. Die Industrie arbeitet daran, den erneuerbaren Anteil des Materials stetig zu erhöhen. Zudem werden eindeutige Hinweise auf eine korrekte industrielle Kompostierung gemäß europaweit harmonisierter Norm EN13432 gegeben. Die Norm macht klare Vorgaben für beispielsweise Rottezeiten, Ort oder auch Schwellenwerte für Ökotoxizität, die die Tragetaschen einhalten müssen. Tragetaschen, die diese Bedingungen erfüllen und durch anerkannte, unabhängige Institutionen zertifiziert wurden, tragen das Keimling Logo. Die so gekennzeichneten Tragetaschen bauen in der überwiegenden Mehrheit, der in Deutschland vorhandenen Kompostierungsanlagen vollständig ab. „Wie man die Kompostierung von Tragetaschen künftig weiter auf die Bedürfnisse der Entsorgungswirtschaft abstimmen kann, ist bereits Gegenstand des Dialogs unserer Branche mit der Verwertungsindustrie“, erklärt Andy Sweetman, Vorstandsvorsitzender von European Bioplastics. „Biokunststoffe sind dabei aus der Nische zu treten, und werden zunehmend sichtbarer für den Verbraucher. Wie in jedem innovativen Feld, entwickeln wir unsere Materialien und Produkte stetig weiter und speziell bei Biokunststoffen gibt es ein großes, ungenutztes Potential. Zahlreiche der heute offenen Fragen werden wir in den nächsten Jahren beantworten können“, schließt Sweetman zuversichtlich. Quelle: European Bioplastics