Die Zukunftsvision der Miniaturisierung hat inzwischen eine Reihe von synthetisch molekularen Motoren hervorgebracht, die von unterschiedlichen Energiequellen angetrieben werden und verschiedene Bewegungen ausführen können. Einer Forschungsgruppe an der FAU, ist es gelungen, über einen lichtgesteuerten Motor eine Katalysereaktion zu steuern. Damit rückt die Vision einer Nanofabrik näher, in der – analog zur biologischen Zelle – verschiedene, frei kombinierbare Maschinen zusammen arbeiten. Die Ergebnisse wurden im Journal of the American Chemical Society veröffentlicht.
Gesetze der Mechanik nicht einfach übertragbar
Definitionsgemäß wandelt ein Motor eine beliebige Energieform in gerichtete Bewegungsenergie um. Auf molekularer Ebene kann zum Beispiel das Protein Myosin mittels chemischer Energie Muskelkontraktionen erzeugen. Inzwischen werden solche Nanomaschinen auch synthetisch hergestellt. Die verwendeten Moleküle sind allerdings um ein Vielfaches kleiner als Proteine und weit weniger komplex. „Die Gesetze der mechanischen Physik lassen sich nicht einfach auf die molekulare Ebene übertragen“, sagt Prof. Dr. Henry Dube, Lehrstuhl für Organische Chemie I der FAU. So gebe es beispielsweise keine Trägheit. Ausgelöst durch die Brownsche Molekularbewegung sei alles ständig in Bewegung. „Es reicht nicht einen Rotationsmotor anzustoßen, man muss auch eine Art Ratschenmechanismus einbauen, der verhindert, dass er rückwärts läuft.“ 2015 ist es Prof. Dube, damals noch an der LMU München, und seinem Team gelungen, einen besonders schnellen, durch sichtbares Licht angetriebenen, molekularen Motor zu entwickeln. Im Jahr 2018 haben diese den ersten molekularen Motor entwickelt, der nur mit Licht angetrieben wird und unabhängig von der Umgebungstemperatur arbeitet. 2019 folgte eine Variante, die nicht nur kreisförmig rotieren kann, sondern eine gerichtete Bewegung in Form einer Acht ausführt. Alle Motoren basieren auf dem Molekül Hemithioindigo, einer unsymmetrischen Variante des natürlich vorkommenden Indigo-Farbstoffs, bei der das Stickstoffatom durch ein Schwefelatom ersetzt ist. Dabei dreht sich ein Molekülteil in mehreren Schritten gerichtet gegenüber dem anderen Molekülteil. Die energiegetriebenen Schritte werden durch sichtbares Licht ausgelöst und verändern die Moleküle in der Weise, dass die Rückreaktionen blockiert sind.
Handelsübliche Katalysatoren im Einsatz
Nach seinem Wechsel an die FAU hat Henry Dube den 2015 entwickelten Rotationsmotor zum ersten Mal zur Steuerung eines separaten chemischen Prozesses genutzt. Er bewegt sich in vier Schritten einmal um die Kohlenstoff-Doppelbindung des Hemithioindigo. Zwei der vier durch eine Photoreaktion ausgelösten Schritte lassen sich zur Kontrolle einer Katalysereaktion nutzen. „Grünes Licht erzeugt eine Molekülstruktur, die einen Katalysator an das Hemithioindigo bindet, blaues Licht gibt den Katalysator wieder frei“, erklärt der Chemiker. Dabei kommt ein handelsüblicher Katalysator zum Einsatz, der keine Metallatome besitzt. Der Katalysator dockt mittels elektrostatischer Kräfte über eine Wasserstoffbrückenbindung an ein Sauerstoffatom des „Motor-Moleküls“ an. Prinzipiell könnten somit alle Katalysatoren, die eine Wasserstoffbrückenbindung benutzen, verwendet werden. „Ein großer Vorteil des Hemithioindigos besteht darin, dass es aufgrund seiner ureigenen Struktur einen Bindungsmechanismus für Katalysatoren besitzt“, erklärt Prof. Dube. Sonst müsste dieser erst durch chemische Synthese angefügt werden. Die Drehung des Hemithioindigo-Motors wird durch sichtbares Licht gesteuert. Gleichzeitig erlaubt das System die gezielte Freisetzung und Bindung eines Katalysators, der gewünschte chemische Prozesse beschleunigt beziehungsweise abbremst. „Diese Arbeit stellt damit einen ersten wichtigen Schritt dar, wie molekulare Motoren auf einfache und vielseitige Weise in chemische Prozesse integriert werden können“, sagt Prof. Dube. „So können wir ähnlich wie an einem Fließband die Synthese von komplexen Medikamenten in Zukunft mit größter Präzision von molekularen Maschinen bewerkstelligen lassen.“ Quelle: FAU, News, 12.11.2020