Mikroplastik in der Umwelt: Kongress zeigt Lösungen auf!
28.07.2014
Mikroplastik – das sind mikroskopisch kleine Partikel aus Kunststoff, die in kosmetischen Produkten, Körperpflegemitteln und anderen Anwendungen zum Einsatz kommen. Sie werden jedoch auch als Fasern beim Waschen von synthetischen Textilien freigesetzt oder entstehen durch die Fragmentierung großformatiger Abfälle wie Plastiktüten. „Es kann Jahrhunderte dauern, bis sich Kunststoffabfälle in der Umwelt durch physikalische, chemische und biologische Prozesse zerkleinern“, macht Stefanie Werner vom Umweltbundesamt schon im Eröffnungsvortrag klar. Es bestehe großer Handlungsbedarf, denn die Folgen für Ökosysteme und Lebewesen sind derzeit nur unzureichend bekannt. Internationale Wissenschaftler trugen deshalb zur Aufklärung bei und stellten aktuelle Ergebnisse ihrer Forschungsprojekte vor. Die mengenmäßige Erfassung und Bewertung von Mikroplastik in der Umwelt stelle Wissenschaftler vor eine große Herausforderung, weiß Dr. Jörg Klasmeier von der Universität Osnabrück zu berichten. Anhand von Marktanalysen ermittelte Roland Essel vom nova-Institut, dass allein in Deutschland etwa 500 Tonnen Mikropartikel in kosmetischen Produkten eingesetzt werden. Unklar bleibt bisher die Frage, wie viele Mikropartikel aus anderen Anwendungen in die Umwelt gelangen. Fest steht, dass Mikropartikel aus Kunststoff in die Nahrungskette gelangen und bereits in Bier und Honig aufzufinden sind. Lisbeth Van Cauwenberghe von der Universität Gent verwies darauf, dass in einer Portion Miesmuscheln etwa 90 Mikropartikel enthalten sind. Belgier, die Top-Konsumenten von Meeresfrüchten in Europa, nehmen demzufolge bis zu 11.000 Mikropartikel pro Kopf und Jahr zu sich. Mögliche indirekte Wirkungen können zudem durch den Co-Transport von Schadstoffen durch Mikropartikel hervorgerufen werden.
Sind Biopolymere eine Lösung?
Hersteller kosmetischer Produkte können auf langlebige Mikropartikel aus konventionellen Kunststoffen verzichten oder diese durch andere Materialien ersetzen. Neben natürlichen Abrasiva aus Aprikosenkernen, Mineralien oder Bienen‑, Karnauba- und Reiswachsen, die Sebastian Pörschke von Fraunhofer UMSICHT erforscht, können bio-basierte und biologisch abbaubare Polymere eine neue Option sein. Eine wichtige Motivation für die Umstellung von petrochemischen zu bio-basierten Kunststoffen könnte für die Industrie dadurch gegeben sein, dass die vorhandene Prozesstechnik und das Produktdesign bei ähnlichen Produkteigenschaften nur geringfügig geändert werden müssen. Casein, das aus tierischen Proteinen hergestellt wird, bietet laut Leonie Völsgen von QMilch als Biopolymer viele Eigenschaften, die für den Einsatz in der Kosmetikindustrie sprechen. Mikropartikel aus Cellulose, wie sie Christina Sachs von J. Rettenmaier & Söhne vorstellte, sind ebenfalls schon jetzt am Markt verfügbar. Barbara Walter-Kimmerle von der Firma Metabolix betonte, dass Polyhydroxyalkanoate (PHA) als natürliche Thermoplaste, die von Bakterien und anderen Lebewesen als Energiespeicher verwendet werden, unter praktisch allen Umweltbedingungen schnell abbauen. PHAs sind sogar als Bindemittel für Tierfutter zugelassen und zeigen positive Effekte auf die Tiergesundheit. Bruno de Wilde (OWS Gent, Belgien) machte deutlich, dass sich der biologische Abbau von Biopolymeren bereits bei der bloßen Fragmentierung petrochemischer Kunststoffe unterscheidet. Biologisch abbaubare, bio-basierte Kunststoffe können von Bakterien und Pilzen durch Assimilation und Mineralisierung in CO2 (aerobisch Abbau), CH4 (anaerobisch Abbau) und Biomasse umgewandelt werden. Konventionelle Kunststoffe werden dagegen nur in immer kleinere Fragmente zersetzt und nicht biologisch abgebaut. Das überzeugte selbst Kritiker, die biologisch abbaubaren bio-basierten Kunststoffen zunächst kritisch gegenüber standen, da diese den Verbraucher dazu verleiten könnten, mehr Kunststoffprodukte in der Umwelt zu entsorgen. Der Kongress zeigte aber, dass es etliche Anwendungsbereiche für Kunststoffe gibt, bei denen eine sachgerechte Entsorgung und Recycling kaum möglich sind – und daher biologisch abbaubare, bio-basierte Kunststoffe in solchen Fällen eine durchaus interessante Lösung darstellen.
Welche zukünftigen Entwicklungen sind zu erwarten?
Einig waren sich die Referenten und Teilnehmer des Kongresses darüber, dass Mikroplastik in kosmetischen Anwendungen und Körperpflege ein überflüssiges Umweltproblem darstellt, da zahlreiche Alternativen für herkömmliche Kunststoffpartikel aus Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) vorhanden sind. Daher überrascht es nicht, dass Dr. Michael Meyberg (Beiersdorf AG) als Sprecher für den Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) einen dramatischen Rückgang von Mikroplastik in Kosmetikprodukten in den kommenden drei Jahren vorhersagt. Nadja Ziebarth vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) überzeugt das nicht. Sie fordert weiterhin ein Verbot für den Einsatz von Mikroplastik in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten, das gegenüber den freiwilligen Selbstverpflichtungen für alle Unternehmen bindend ist und darüber hinaus die Entwicklung von innovativen Materialien und Prozessen auslösen kann. Doch Mikroplastik aus Kosmetik- und Körperpflegeprodukten ist nicht die einzige Quelle des Problems. Weitere bedeutende Quellen sind Chemiefasern, die beim Waschvorgang aus Textilien freigesetzt werden, der Reifenabrieb im Straßenverkehr und die Fragmentierung von großformatigen Plastikabfällen in der Umwelt. Es genügt daher nicht, sich auf Lösungen in der Kosmetikindustrie zu beschränken. Michael Carus, Geschäftsführer des nova-Instituts (Hürth), fasste den Kongresstag mit seiner abschließenden, lebhaften Podiumsdiskussion zusammen: „Wir alle haben heute viel über die Problematik und mögliche Lösungen gelernt. Um dem Problem Herr zu werden, brauchen wir bei Verbraucher, Industrie und Politik eine bessere Wahrnehmung, mehr Information, mehr Verantwortung in der gesamten Prozesskette, optimierte Recyclingkonzepte und bei kritischen Anwendungen auch Verbote petrochemischer Kunststoffe, um Innovationen Rückenwind zu geben und den Einsatz von biologisch abbaubaren und bio-basierten Kunststoffen und anderen Naturmaterialien voran zu bringen“. Quelle: nova-Institut GmbH