„Proteine gehören wie Cellulose oder Lignin zu den Bestandteilen nachwachsender Rohstoffe, aber ihr Potenzial für die chemische Industrie wird bisher kaum genutzt“, sagt Axel Höhling. Er ist Geschäftsführer der Berliner ANiMOX GmbH und federführender Koordinator der TeFuProt-Allianz. Dabei waren Proteine noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Ausgangsgrundstoff der Kunststoffchemie gewesen – das für Knöpfe, Schirmgriffe oder Radiogehäuse genutzte Galalith wurde einst aus dem Milchprotein Casein hergestellt. Mit dem Erdölboom geriet der Stoff jedoch ins Hintertreffen und weitgehend in Vergessenheit. „Wir wollen den vernachlässigten Rohstoff Protein aus nachwachsenden Quellen wieder für technische Anwendungen erschließen“, sagt Höhling.
Zu bitterer Rapspresskuchen kann nicht verfüttert werden
Hierzu wollen die Forscher auf einen Rohstoff zurückgreifen, der nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. Die stoffliche Grundlage bilden die Produktionsreste aus der Rapsentölung – sogenannte Extraktionsschrote und Rapspresskuchen. Allein in Deutschland fallen jährlich rund 5 Millionen Tonnen solcher entölten Pflanzenreste an. Mehr als die Hälfte davon wird an Nutzvieh verfüttert. „Wegen bestimmter sekundärer Pflanzeninhaltstoffe, sogenannter Bitterstoffe, ist der Futtermitteleinsatz jedoch begrenzt. Mehr als 1,5 Millionen Tonnen der Entölungsreste können nicht verfüttert werden“, sagt Höhling. Gerade diese Fraktion, bisher weitgehend ungenutzter Abfall, bietet sich für eine stoffliche Verwertung an. Die Bunge Deutschland GmbH mit ihrer Ölmühle in Mannheim, eine der größten ihrer Art in Europa, fungiert in der Allianz als Rohstofflieferant für die Rapsschrote. Weitere Rapsreste in Form von Presskuchen steuert die Ölmühle Sternberg der Ecomotion GmbH in Mecklenburg-Vorpommern bei. Sie gehört zum Allianzpartner SARIA A/S GmbH & Co. KG.
Proteine unter Hochdruck herauslösen
Einer der zentralen Prozess-Schritte für die Allianz erfolgt nun in den Labors und im Technikum der in Berlin-Adlershof angesiedelten ANiMOX. Denn hier geht es darum, wie sich die in den Rapsreststoffen steckenden Proteine aus ihrer pflanzlichen Verpackung herauslösen lassen. Dazu wollen die Biotechnologen ein Verfahren auf die Pflanzenreste übertragen, das sie bereits für die Gewinnung von tierischen Proteinen aus Schlachtabfällen entwickelt haben. „Wir lösen die Proteine in einer Art Dampfdrucktopf unter hohen Temperaturen aus ihrer Umgebung heraus“, erläutert Höhling. Das Besondere: durch dieses hydrothermale Extraktionsverfahren werden die normalerweise schwer löslichen Eiweiße in eine wässrige Lösung gebracht und können durch weitere Bearbeitungsschritte noch verändert werden. „Am Ende entsteht ein Sirup oder – nach Trocknung – ein lockeres Pulver, das mindestens zwei Jahre lang biologisch stabil bleibt“, erläutert Höhling. Neben ANiMOX arbeitet das Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising an Technologien, mit denen sich das Proteingemisch drucklos und bei normaler Temperatur aus den Rapsschroten extrahieren lässt. Sowohl der Berliner als auch die Freisinger Verfahrenstechniker stellen für die Tests und Untersuchungen der Industriepartner in der Allianz die Mustermengen der Proteine her. Forscher der Hochschule München werden die Struktur der so gewonnen Eiweißmoleküle mit rasterkraftmikroskopischen Verfahren analysieren.
Technische Proteine für viele Branchen interessant
Die aus dem Raps gewonnenen Proteine sind für die zahlreichen Industriepartner der Allianz der natürliche Rohstoff für den Einsatz in ihren Spezialprodukten. Für die industriellen Anwender sind dabei die besonderen technischen Eigenschaften von Proteinen von Interesse: Manche sind emulgierend, sie bilden Schäume oder binden Öl oder Wasser. Das Spezialchemie-Unternehmen Clariant plant etwa, die Eiweißlösungen auf ihre Eignung für den Einsatz in Bohrspülungen und in Papierstrichmitteln zu testen. Die anderen Partner erproben die Proteine für Produkte in ihren Industriebranchen: So etwa in Farben und Lacken (Kronos; Landshuter Lackfabrik; Naturhaus Naturfarben), in Kleb- und Schmierstoffen (BioLink; Fuchs Schmierstoffe), als Zusatz in Polymeren (HPX Polymers) sowie in Reinigungsmitteln (Vermop). Höhling ist davon überzeugt, dass die in der strategischen Allianz zu entwickelnde Proteingewinnung und ‑nutzung nicht nur unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vernünftig sondern auch wirtschaftlich attraktiv sein wird: „Da wir Rest- und Abfallstoffe nutzen, ist der Wert des Rohmaterials gering, birgt aber ein hohes wirtschaftliches Potenzial“, betont Höhling. Ein Forschungsinstitut wird dazu wirtschaftliche und umweltrelevante Fragen der angewandten Verfahren in der Allianz genauer unter die Lupe nehmen. Die IBB Netzwerk GmbH in Martinsried ist administrativer Koordinatior der TeFuProt-Allianz, die am 1. September dieses Jahres offiziell ihre Arbeit aufgenommen hat. Quelle & mit freundlicher Genehmigung: bioökonomie.de/pg