Sind Biokunststoffe eine Scheinlösung für die Plastikkrise?
Lenken Biokunststoffe von den tatsächlichen Lösungen im Kampf gegen die Plastikkrise ab? So der Tenor des BUND in seinem aktuellen Papier „„Bio“-Kunststoffe“ von Mai 2022. Nein, nicht Biokunststoffe sind das Problem! Statt sie in den Fokus zu nehmen, müssen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft Mehrweglösungen und Recycling forciert und unnötiger Einsatz von Kunststoffen vermieden werden – und zwar für alle Kunststoffsorten.
Der BUND positioniert sich in seinem aktuellen Papier wie folgt zu Biokunststoffen:
- Ihre Rohstoffe stammen nicht aus ökologischer Landwirtschaft, sondern werden in Übersee angebaut.
- Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen für die Biokunststoffproduktion werde zu einer immer größeren Konkurrenz um die vorhandenen Ackerflächen führen. Reststoffe einzusetzen sei insofern problematisch, als dass ihr Verbleib auf den Feldern für die Bodenkultur notwendig sei.
- Bei der Gruppe der bioabbaubaren Kunststoffe sei die versprochene Abbaubarkeit real nicht gegeben.
- In Biokunststoffen enthaltene Additive hätten problematische human- und ökotoxikologische Auswirkungen. Dies spiele insbesondere eine Rolle, da Biokunststoffe bei vermehrtem Einsatz auch zunehmend in die Umwelt gelangen würden.
- Chemisch neuartige Biokunststoffe seien derzeit nur theoretisch recycelbar, da die Mengen für das Recycling innerhalb bestehender Anlagen nicht ausreichten.
Als unabhängiges Forschungsinstitut setzt sich das IfBB immer wieder mit der Diskussion um Biokunststoffe auseinander und teilt einige der Aspekte durchaus. Dennoch sollten laut IfBB im Kampf gegen die Plastikkrise die folgenden Punkte im Vordergrund stehen:
Ungenutzte Reststoffe nutzen und die regionale Kreislaufwirtschaft fördern!
Um den Bedarf von Agrarrohstoffen für Biokunststoffe möglichst gering zu halten, kommen immer mehr Reststoffe zum Einsatz, die sonst vielfach ungenutzt blieben, bspw. Stroh, Holzreste, Hanf- oder Flachsstaub, Ernterückstände, Obstkerne, Gemüse- und Nussschalen, Kaffeesatz. Das schont die Landflächen und mindert den Landflächenbedarf erheblich!
Monokulturen, Pestizideinsatz und Niedriglöhne sind weder nachhaltig noch sozial — auch bei der Rohstoffgewinnung für Biokunststoffe müssen wir weg von den in Übersee produzierten Rohstoffen und hin zu einer nationalen oder regionalen Kreislaufwirtschaft. Für Biokunststoffe werden derzeit vornehmlich Zuckerrohr und Maisstärke eingesetzt – Zucker und Mais lassen sich auch in Europa, auch in Deutschland anbauen.
Von beidem, dem heimischen Anbau der nachwachsenden Rohstoffe ebenso wie von der Nutzung der bislang teilweise ungenutzten Reststoffe, profitiert die heimische Landwirtschaft. Neue Absatzmärkte werden erschlossen, statt Erdöl werden Reststoffe als Primärquelle eingesetzt, die Flächeneffizienz gesteigert, die Kaskadennutzung gefördert, indem die Rohstoffe zunächst stofflich und erst dann energetisch genutzt werden, die CO2-Belastung wird reduziert.
Abbaubare Kunststoffe nur selten einsetzen!
Mehr langlebige Biokunststoffe einsetzen als abbaubare! Abbaubare sind nur dort sinnvoll, wo die Abbaubarkeit einen tatsächlichen Zusatznutzen bringt, wie z. B. als Mulchfolie in der Landwirtschaft oder als medizinisches Nahtmaterial. Ansonsten sind langlebige (Bio-)Kunststoffe vorzuziehen, da sie recycelt und mehrfach verwendet werden können. Inwieweit abbaubare Kunststoffe dazu beitragen können, die Plastikverschmutzung der Meere einzudämmen, wird gerade umfangreich untersucht – aber auch hier liegt der Fokus auf unvermeidbaren Einträgen von Kunststoffen in die Umwelt und soll nicht dazu führen, dass abbaubare Kunststoffe in der Natur entsorgt werden. Alle Kunststoffe gehören per se nicht in die Umwelt!
Mehrweg statt Einweg und die Reduktion unnötiger Kunststoffe bei Verpackungen gelten für alle Kunststoffe!
Eine Mehrwegnutzung ist einer Einwegnutzung immer vorzuziehen. Kunststoffe jeglicher Art sind als Werkstoffe viel zu wertvoll, um nach einmaliger Nutzung entsorgt zu werden! Eine Reduktion unnötiger Verpackungen verminderte den Kunststoffverbrauch erheblich – sowohl bei bio- als auch bei erdölbasierten Kunststoffen.
Design for Recycling!
Bereits bei der Produktion bzw. beim Entwerfen einer Kunststoffverpackung sollte auf eine möglichst hohe Recyclingfähigkeit geachtet werden! Weniger Multilayer, mehr einzelne Werkstoffe, nur so viel Material einsetzen wie notwendig! Das gilt sowohl für bio- als auch für erdölbasierte Kunststoffe.
Nachhaltigkeitsbewertungen auf Augenhöhe: Vergleich erdöl- und biobasierter Kunststoffe hinkt!
Während bei biobasierten Kunststoffen indirekte Auswirkungen ihrer Produktion auf die Umwelt berücksichtigt werden sollen, geschieht das bei erdölbasierten Kunststoffen häufig nicht (z. B. Fracking-Schäden, Pipeline-Leckagen, Havarien, Straßenbau und Erschließung von Ölfeldern, Eintrag in die Umwelt in Form von Kunststoffverpackungen).
Verbraucheraufklärung und ‑sensibilisierung!
Was sind Biokunststoffe überhaupt? Und wie trenne ich richtig fürs Recycling? Vielfach denken Verbraucher*innen bei Biokunststoffen ausschließlich an abbaubare. Die langlebigen sind aber viel zahlreicher und in den meisten Fällen auch viel sinnvoller einzusetzen. Auch beim richtigen Trennen aller Kunststoffe gibt es noch viel zu tun!
Fazit:
Biokunststoffe sind nicht per se umweltfreundlicher als erdölbasierte Kunststoffe, es hängt von der konkreten Anwendung ab. Aus IfBB-Sicht sind sie aber keine Scheinlösung, sondern können eine Teillösung im Kampf gegen die Umweltverschmutzung durch Kunststoffe sein, denn sie bieten mit ihrer nachwachsenden Rohstoffbasis eine Alternative zur Erdölnutzung.
Im Sinne der EU-Kunststoffstrategie müssen wir die Kreislaufwirtschaft weiter vorantreiben, die Recyclingquote nachhaltig erhöhen, die Kaskadennutzung stärken und bereits bei der Herstellung von (Bio-)Kunststoff-Produkten nach dem Motto „Design for Recycling“ (bspw. Einsatz von Monomaterialien bei Verpackungen) handeln