Wie Wissenschaftler der Universität Konstanz im Fachjournals Genome Biology and Evolution (2012, Online-Vorabpublikation) beschreiben, findet ein horizontaler Genaustausch statt, während die Parasiten ihre Opfertiere aussaugen. Neunaugen bilden eine sehr alte Gattung, die sich seit 500 Millionen Jahren nicht verändert hat. Das Maul der aalähnlichen Parasiten ist mit unzähligen Hornzähnen ausgestattet. So saugen sie sich an Fischen fest, trinken Blut und raspeln Hautzellen ab. Die Konstanzer Arbeitsgruppe um den Evolutionsbiologen Axel Meyer ist Teil eines internationalen Forschungsnetzwerks, das das gesamte Genom der Meeresneunaugen bestimmt und analysiert hat. Dabei fiel den Forschern auf, dass das Neunaugen-Genelement Tc1 mit über 6.600 Kopien auffallend häufig bei den Tieren vertreten war. „Diese bestimmte Form von Tc1 ist nur in den Genomen von wenigen Tierarten zu finden, und zwar ausschließlich in Neunaugen und in Süßwasserfischen der nördlichen Erdhalbkugel, die regelmäßig Opfer von Neunaugen werden“, schildert Axel Meyer. Die Interpretation der Wissenschaftler: diese DNA-Elemente haben sich mehrfach zwischen Neunaugen und deren Wirtsfischen horizontal verbreitet. Der Begriff „horizontaler Gentransfer“ bezeichnet eine Übertragung von Genen über Artgrenzen hinweg, das heißt zwischen verschiedenen Tierarten derselben Generation. Der Konstanzer Fund ist für das Forscherteam spektakulär: „Mir ist kein anderer Fall bekannt, in dem horizontaler Gentransfer zwischen Wirbeltieren eintritt und ein anderes Wirbeltier der Vektor ist“, erklärt Meyer. Zudem legten die Ergebnisse nahe, dass dieses Genmaterial aus evolutionär weitaus jüngeren Fischarten stammen muss. Die Neunaugen spielen in diesem Fall also nur die Rolle des Überträgers. Für die betroffenen Tiere muss das kein Nachteil sein, sagt Meyer: “Es sind Fälle bekannt, in denen solche ‚springenden Gene‘ die Funktion eines benachbarten Gens verändert haben. Dies kann sogar positive evolutionäre Effekte haben”, so Axel Meyer. Dass Gentransfere die Evolution offenbar viel stärker als gedacht beeinflussen, konnten auch Wiener Forscher im Februar belegen. Neunaugen werden je nach Art zwischen 20 bis 40 Zentimeter groß. Der Name der Rundmäuler geht auf die ersten Beschreibungen zurück. Dabei hielten die Beobachter die Nasenöffnung und die sieben seitlichen Kiemenspalten ebenfalls für Augen. Die Familie der Neunaugen wurde 2012 zum Fisch des Jahres gekürt, obwohl Neunaugen taxonomisch nicht zu den Fischen zählen. Quelle: biotechnologie.de/ck